E-Mail 0211 / 355 83 14 Anfahrt Kanzlei Facebook

Telefon
0211 / 355 83 14

Adresse
Graf-Adolf-Straße 80, 40210 Düsseldorf

Kontaktformular
zum Formular

Schwerbehinderung und Grad der Behinderung (GdB)

Wer erhält einen Schwerbehindertenausweis?

Schwerbehinderung = GdB 50 oder höher

Viele Menschen in Deutschland haben Anrecht auf einen Schwerbehindertenausweis, ohne es zu wissen. Zum Beispiel können auch Akne oder Migräne als Behinderung eingestuft werden. Vielen ist nicht bekannt, dass auch chronische Krankheiten wie Bluthochdruck, Bronchialasthma, Tinnitus oder Rheuma unter bestimmten Voraussetzungen eine Schwerbehinderung darstellen. Damit entgehen Ihnen Nachteilsausgleiche.

Behinderung

Ab wann man als behindert gilt, ist im Sozialrecht definiert. Eine Behinderung liegt vor, wenn jemand eine oder mehrere Beeinträchtigungen hat, die länger als sechs Monate anhalten. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben muss beeinträchtigt sein. Die Schwere wird durch den Grad der Behinderung (GdB) beziehungsweise den Grad der Schädigungsfolgen (GdS) ausgedrückt. Details regelt die Versorgungsmedizin-Verordnung. In ihr sind alle Krankheitsbilder enthalten. Je nach Schwere ergibt sich ein bestimmter Grad der Behinderung/ Schädigungsfolge. Bei mehreren Krankheiten wird ein Gesamtgrad gebildet.

Grad der Behinderung - Grad der Schädigungsfolgen

GdB und GdS sind gestaffelt in Zehner-Einheiten und können zwischen 20 und 100 betragen. Jemand gilt als schwerbehindert, wenn der GdB 50 und mehr beträgt.

Jede Krankheit relevant

Im Prinzip kann jede Krankheit, ob nun körperlicher oder psychischer Art, einen GdB begründen, beispielsweise eine schwere Verlaufsform von Migräne oder eine stark ausgeprägte Akne. Auch eine Frau, der ein bösartiger Brustdrüsentumor entfernt wurde, gilt zumindest in den ersten fünf Jahren nach der OP als schwerbehindert.

Antrag beim Versorgungsamt

Wer eine Schwerbehinderung feststellen lassen will, muss einen Antrag beim Versorgungsamt seiner Gemeinde stellen. Dafür reicht ein formloses Schreiben, in dem man um die "Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft" bittet.

Beschreibung von Krankheit und Einschränkung

Daraufhin bekommt der Antragsteller ein Formular zugeschickt, das ausgefüllt werden muss. Wichtig ist hierbei, dass der Antragsteller seine persönliche Betroffenheit deutlich macht. Er muss genau beschreiben, inwiefern die Krankheit den eigenen Alltag beeinträchtigt. Außerdem sollte man einen selbst verfassten Tagesablauf beizufügen. Natürlich sollten alle ärztlichen Unterlagen, die sich auf die Gesundheitsstörung beziehen, dem Antrag beigefügt werden. Liegt der Grad der Behinderung/ Schädigungsfolgen nach Feststellung des Amtes bei mindestens 50, wird ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt.

Nachteilsausgleiche - Merkzeichen

Dann können Nachteilsausgleiche in Anspruch genommen werden. Höhere Steuerfreibeträge sind denkbar. Das Rentenalter sinkt auf 62.

Schwerbehinderung und Arbeit

Der Arbeitgeber muss nicht informiert werden. Das ist aber sinnvoll, weil der Arbeitgeber Schwerbehinderte fördern muss. Ihnen stehen etwa fünf Tage mehr bezahlter Urlaub im Jahr zu. Überstunden können verweigert werden. Zudem können Schwerbehinderte nicht ohne weiteres gekündigt werden. Erst muss das Integrationsamt dem zustimmen.

Verkehr - Alltag - Freizeit

Auch außerhalb des Berufslebens gibt es Nachteilsausgleiche. So können mobilitätsbehinderte Menschen billiger oder kostenlos mit Bus und Bahn fahren. Sie haben zudem die Möglichkeit, ihr Fahrzeug im eingeschränkten Halteverbot und auf Behinderten-Parkplätzen zu parken - der Schwerbehindertenausweis allein reicht aber nicht, man benötigt einen besonderen Parkausweis. Bei Kultur- und Freizeitveranstaltungen gibt es oft Preisnachlässe, wenn man einen Schwerbehindertenausweis vorlegt.

Nachteilsausgleiche bei Behinderung

Link zu www.schwerbehindertenausweis.de

Der Seh-Netz e.V. aus Gersheim betreibt unter der Webadresse www.schwerbehindertenausweis.de eine sehr informative Seite für (Schwer-)Behinderte. Dort werden sämtliche Nachteilsausgleiche, also Vergünstigungen, für Menschen mit Behinderung ausführlich dargestellt. Insbesondere ist dort eine Nachteilssuche in Form eines "Rechners" enthalten, bei dem Sie ihre persönlichen Parameter wie GdB, Merkzeichen, Besonderheiten und evtl. Sozialleistungsempfängereigenschaften ankreuzen. Anschließend werden Ihnen die Nachteilsausgleiche der diversen Gesetze übersichtlich angezeigt.

Hier ist der LINK: Nachteilsausgleich-Suche.

Da wir für den Inhalt der dortigen Angaben nicht verantwortlich sind, keinerlei Beziehung zu dem Verein besteht und wir auch keinen Einfluss auf dortige Inhalte haben, können wir für dortige Angaben keine Garantie übernehmen und müssen die Haftung selbstverständlich ausschließen.

Arbeit und Beruf

Schwerbehinderte Menschen haben unter anderem Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub in der Regel von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr. Für sie gilt auch ein besonderer Kündigungsschutz. Sie können begleitende Hilfen im Arbeitsleben beantragen. Ferner werden schwerbehinderte Menschen auf ihr Verlangen von Mehrarbeit freigestellt. Nähere Informationen zum Kündigungsschutz und zu begleitenden Hilfen im Arbeitsleben erteilen auch die in Inklusionsämetr der Landschaftsverbände Westfalen-Lippe, Münster und Rheinland.

Gesetzliche Krankenversicherung

Es besteht die Möglichkeit der Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung innerhalb von drei Monaten nach Feststellung der Schwerbehinderung. Voraussetzung hierfür ist, dass die schwerbehinderte Person, ein Elternteil oder sein Ehegatte in den letzten fünf Jahren vor Beitritt mindestens drei Jahre versichert waren. Eine Ausnahme hierfür besteht für den Fall, dass diese Voraussetzung aufgrund einer Behinderung nicht erfüllt werden konnte. Krankenkassen können dieses Beitrittsrecht altersmäßig beschränken.

Steuerfreies Einkommen

(Schwer)behinderte Menschen erhalten einen steuerfreien Pauschalbetrag je nach Höhe des Grades der Behinderung. Seit dem Jahr 2021 werden folgende steuerfreie Pauschalbeträge gewährt:

GdB Pauschbetrag in €
20 384
30 620
40 860
50 1.140
60 1.440
70 1.780
80 2.120
90 2.460
100 2.840

Statt eines Pauschalbetrags können auch die tatsächlichen Mehraufwendungen steuerlich abgesetzt werden, die zur Milderung der Behinderung aufgewandt werden. Je nach Gesamtbetrag des Haushaltseinkommens und des Familienstandes berücksichtigt das Finanzamt dann jedoch die sogenannte Eigenbelastung.

Fahrtkosten

Zusätzlich können Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 für die Fahrt zur Arbeit Fahrtkosten steuermindernd geltend machen. Hierzu gehören auch die Unterhaltungskosten und Reparaturen, Garagenmieten, Kfz-Versicherung, Parkgebühren und alle weiteren Unkosten für ein Auto. Alternativ kann hier auch eine Kilometerpauschale i.H.v. 0,30 € pro Kilometer abgezogen werden. Haben Behinderte Menschen einen Fahrer, stehen für diesen zusätzliche Kilometersätze für seine Anreise zum behinderten Menschen zu.

Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe gehört ein Haus­gebärden­sprachkurs als Assistenzleistung, bei dem die Gebärdensprache im häuslichen Umfeld unterrichtet wird.

Anspruchsberechtigt können auch Menschen sein, deren Sprachfähigkeit hinsichtlich der Wortfindung oder dem Artikulationsvermögen beeinträchtigt ist. Die Antragsstellerin war vier Jahre alt.

LSG Hessen, Beschluss vom 09.12.2021, Az. L 4 SO 218/21 B ER

Das Gericht ordnete den Anspruch per Einstweiliger Anordnung an, weil das Erlernen der Gebärdensprache als weiteres Mittel der Kommunikation dem Kind die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft erleichtert und seine psychische Belastung mildert.

Das Mädchen kann aufgrund einer Sprachentwicklungsstörung - ohne sprachrelevante Hörstörung - nicht intuitiv die Zunge nach links, rechts oder oben bewegen. Es kann daher nur wenige Wörter verständlich aussprechen.

Gewährt wurde ein Hausgebärdensprachkurs von sechs Stunden wöchentlich. Maßnahmen der Eingliederungshilfe sollen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen oder erleichtern. Dabei sollen Kontakte auch zu nicht behinderten Menschen - und zwar nicht nur zu nahestehenden Personen wie Familienangehörigen - gefördert werden. Ob ein Anspruch besteht, richtet sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalls.

Im Hauptsacheverfahren kann eine weitere Sachaufklärung durch ein Sachverständigengutachten erfolgen.

Merkzeichen

Folgen Sie den Links zur Website des Vereins Seh-Netz e.V., um die jeweiligen Voraussetzungen für die Merkzeichen nachlesen zu können. Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis

Da wir für den Inhalt der dortigen Angaben nicht verantwortlich sind, keinerlei Beziehung zu dem Verein besteht und wir auch keinen Einfluss auf dortige Inhalte haben, können wir für dortige Angaben keine Garantie übernehmen und müssen die Haftung selbstverständlich ausschließen.

Behindertenparkausweis und Behindertenparkplatz.

Für die Zuerkennung des Merkzeichens aG zur Nutzung von Behindertenparkplätzen ist ausschließlich die Gehfähigkeit im öffentlichen Verkehrsraum maßgeblich.

Urteil des Bundessozialgerichts vom 09.03.2023 Aktenzeichen B 9 SB 1/22 R.

Dafür muss der schwer behinderte Mensch sich dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeugs bewegen können. 

Verlust der Gang- und Standstabilität

Eine bessere Gehfähigkeit in anderen Lebenslagen ist in diesem Zusammenhang damit irrelevant, so das BSG. Voraussetzung ist nur, dass der behinderte Mensch an einem Verlust von Gang- und Standstabilität leidet, wodurch die erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung erfüllt ist. Diese muss weiter einem Grad der Behinderung von 80 entsprechen.

Häuslicher Bereich contra Unbekannte Umgebung

Bereits ein Jahr zuvor hat das BSG unter Az. B 9 SB 8/21 R entschieden, dass dem dortigen Kläger das Merkzeichen aG für die Nutzung von einem Behindertenparkplatz zuerkannt wird. Der Kläger konnte sich nur im häuslichen und schulischen Bereich frei bewegen, nicht jedoch in unbekannter Umgebung.

Ziel: Gleichberechtigte Teilhabe

Der auf volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der Gesellschaft gerichtete Sinn und Zweck des Schwerbehindertenrechts umfasst gerade auch das Aufsuchen veränderlicher und vollkommen unbekannter Einrichtungen des sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens.

Persönliches Budget

Selbstbestimmtes Leben

Auf Antrag können Leistungen zur Teilhabe auch durch ein Persönliches Budget ausgeführt werden, um den Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Das Persönliche Budget wird von den beteiligten Leistungsträgern trägerübergreifend als Komplexleistung erbracht. Budgetfähig sind Leistungen der Krankenkassen und der Pflegekassen, Leistungen der Unfallversicherung bei Pflegebedürftigkeit sowie Hilfe zur Pflege der Sozialhilfe, die sich auf alltägliche und regelmäßig wiederkehrende Bedarfe beziehen.

Monatlicher Pauschalbetrag

Persönliche Budgets werden in der Regel als Geldleistung ausgeführt, bei laufenden Leistungen monatlich. Persönliche Budgets werden so bemessen, dass der individuell festgestellte Bedarf gedeckt wird und die erforderliche Beratung und Unterstützung erfolgen kann.

Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft

Unabhängigkeit von Pflege

Als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen.

Leistungen sind insbesondere

  1. Versorgung mit Hilfsmitteln,
  2. heilpädagogische Leistungen für Kinder, die noch nicht eingeschult sind,
  3. Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen,
  4. Hilfen zur Förderung der Verständigung mit der Umwelt,
  5. Hilfen bei der Beschaffung, dem Umbau, der Ausstattung und der Erhaltung einer Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen der behinderten Menschen entspricht,
  6. Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten,
  7. Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben.

LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13.09.2022 - L 16 KR 421/21

Das Lan­des­so­zi­al­ge­richt Nie­der­sach­sen-Bre­men hat ent­schie­den, dass dem Wunsch- und Wahl­recht bei der Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung wei­ter Raum zu ge­wäh­ren ist. Im zu­grun­de lie­gen­den Fall hatte ein quer­schnitts­ge­lähm­ter Mann ein Hilfs­mit­tel be­gehrt, um sich auch wei­ter­hin aktiv fort­be­we­gen zu kön­nen. Auf einen bil­li­ge­ren Elek­troroll­stuhl woll­te er sich nicht ver­wei­sen las­sen.

Er war bislang mit einem Aktivrollstuhl nebst mechanischem Zuggerät (Handbike) versorgt. Wegen nachlassender Kraft und zunehmender Schulterbeschwerden beantragte er bei seiner Krankenkasse ein elektrisch unterstütztes Zuggerät. Die Kasse lehnte den Antrag ab und bot dem Mann stattdessen einen Elektrorollstuhl an. Ein elektrisch unterstütztes Zuggerät möge zwar wünschenswert, hilfreich und sinnvoll sein. Gleichwohl stelle es eine nicht notwendige Überversorgung dar, weil die Basismobilität auch mit einem rein elektrischen Hilfsmittel gesichert werden könne, das nur rund die Hälfte koste.

LSG stellt auf Willen des Querschnittsgelähmten ab

Anders als die erste Instanz hat das LSG die Kasse zur Kostenübernahme verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein querschnittsgelähmter Versicherter nicht gegen seinen Willen auf einen rein passiven Elektrorollstuhl zur Erschließung des Nahbereichs verwiesen werden könne, wenn er lediglich eine elektrische Unterstützung benötige. Bei der Prüfung des Anspruchs auf ein solches Hilfsmittel dürfe das Grundbedürfnis der Erschließung des Nahbereichs nicht zu eng gefasst werden. Dies folge aus einer grundrechtsorientierten Auslegung, den Teilhabezielen des SGB IX und der UN-Behindertenrechtskonvention. Dem Wunsch- und Wahlrecht des behinderten Menschen sei volle Wirkung zu verschaffen, betont das LSG. Die Leistung müsse dem Berechtigten viel Raum zur eigenverantwortlichen Gestaltung der Lebensumstände lassen und die Selbstbestimmung fördern. Im Fall des Klägers widerspräche eine nicht gewünschte Versorgung mit einem Elektrorollstuhl dem Selbstbestimmungsrecht des Behinderten.

Das Landessozialgericht in Chemnitz entschied , dass ein schwer behindertes Kind Anspruch auf einen Zweit-Therapiestuhl für den Schulbesuch hat.

LSG Sachsen, Urteil vom 25. 01.2023 - Az.: L 1 KR 366/20.

Die Klägerin, ein Mädchen mit Behinderung, hatte bereits einen Therapiestuhl für den häuslichen Gebrauch, beantragte jedoch einen weiteren für die Schule. Die Krankenkasse lehnte ab, es kam zum Rechtsstreit, und das Gericht sprach dem Mädchen den Anspruch auf den Zweit-Therapiestuhl zu.

Das Urteil unterstreicht, dass ein solcher Stuhl nicht nur zur Mobilität, sondern auch für die gleichberechtigte Teilnahme am Schulunterricht unerlässlich ist. Es betont die Bedeutung der Inklusion und der gleichberechtigten Teilhabe aller Kinder am schulischen Leben.

Selbstbestimmte Freizeit: Schwerbehinderte bekommt behindertengerechten Fahrradanhänger (Reha-Karre).

Das Sozialgericht Aachen hat einer schwerbehinderten Frau den Anspruch auf einen behindertengerechten Fahrradanhänger, eine sogenannte Reha-Karre, zugesprochen.

SG Aachen, Urteil vom 14.06.2024 - Az. S 19 SO 112/23

Die Frau leidet an spastischer Tetraparese und ist gehbehindert. Ihre Familie und Freunde unternehmen häufig Fahrradausflüge, von denen sie ohne die Reha-Karre ausgeschlossen wäre. Der beklagte Landschaftsverband hatte argumentiert, dass die Reha-Karre nicht notwendig sei, da die Frau über einen Aktivrollstuhl und ein behindertengerecht umgebautes Fahrzeug verfüge sowie öffentliche Verkehrsmittel nutzen könne.

Gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben

Das Gericht folgte jedoch der Argumentation der Klägerin und ihrer Mutter. Es entschied, dass die Reha-Karre erforderlich sei, um der Frau eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, da andere Transportmittel ihre Teilnahme an den bevorzugten Freizeitaktivitäten, wie Fahrradtouren, nicht ermöglichen würden. Zudem dürfe sie nicht auf den Rollstuhl oder den öffentlichen Nahverkehr verwiesen werden, wenn ihr Umfeld hauptsächlich das Fahrrad nutze.

Das grundrechtlich verankerte Benachteiligungsverbot (Art. 3 GG)

Das Gericht betonte, dass das grundrechtlich verankerte Benachteiligungsverbot (Art. 3 GG) es untersage, behinderte Menschen von Aktivitäten auszuschließen, die Nichtbehinderten offenstehen, wenn keine zwingenden Gründe vorliegen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Leistungen zum Lebensunterhalt, Arbeitsförderungsgeld und Übergangsgeld

Übergangsgeld und Umschulung

Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen haben Anspruch auf Übergangsgeld wie bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für den Zeitraum, in dem die berufliche Eignung abgeklärt oder eine Arbeitserprobung durchgeführt wird und sie wegen der Teilnahme kein oder ein geringeres Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielen.

Berechnung des Übergangsgeldes

Der Berechnung des Übergangsgelds werden 80 Prozent des erzielten regelmäßigen Lohns zugrunde gelegt. Das Übergangsgeld beträgt

  1. für Leistungsempfänger, die mindestens ein Kind haben, oder deren Ehegatten oder Lebenspartner, mit denen sie in häuslicher Gemeinschaft leben, eine Erwerbstätigkeit nicht ausüben können, weil sie die Leistungsempfänger pflegen oder selbst der Pflege bedürfen und keinen Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung haben, 75 Prozent,
  2. für die übrigen Leistungsempfänger 68 Prozent des regelmäßigen Lohnes.

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

Zur Teilhabe am Arbeitsleben werden die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern.

Die Leistungen

  1. Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung,
  2. Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung,
  3. individuelle betriebliche Qualifizierung im Rahmen Unterstützter Beschäftigung,
  4. berufliche Anpassung und Weiterbildung, auch soweit die Leistungen einen zur Teilnahme erforderlichen schulischen Abschluss einschließen,
  5. berufliche Ausbildung, auch soweit die Leistungen in einem zeitlich nicht überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführt werden,
  6. Gründungszuschuss,
  7. sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um behinderten Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten.
  8. Die Leistungen umfassen auch medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen, soweit diese Leistungen im Einzelfall erforderlich sind, um Ziele zu erreichen und Krankheitsfolgen zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten, insbesondere
    • Hilfen zur Unterstützung bei der Krankheits- und Behinderungsverarbeitung,
    • Aktivierung von Selbsthilfepotentialen,
    • mit Zustimmung der Leistungsberechtigten Information und Beratung von Partnern und Angehörigen sowie von Vorgesetzten und Kollegen,
    • Vermittlung von Kontakten zu örtlichen Selbsthilfe- und Beratungsmöglichkeiten,
    • Hilfen zur seelischen Stabilisierung und zur Förderung der sozialen Kompetenz, unter anderem durch Training sozialer und kommunikativer Fähigkeiten und im Umgang mit Krisensituationen,
    • Training lebenspraktischer Fähigkeiten,
    • Anleitung und Motivation zur Inanspruchnahme von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
    • Beteiligung von Integrationsfachdiensten.

Zu den Leistungen gehört auch die Übernahme

  1. der erforderlichen Kosten für Unterkunft und Verpflegung, wenn für die Ausführung einer Leistung eine Unterbringung außerhalb des eigenen oder des elterlichen Haushalts wegen Art oder Schwere der Behinderung oder zur Sicherung des Erfolges der Teilhabe notwendig ist,
  2. der erforderlichen Kosten, die mit der Ausführung einer Leistung in unmittelbarem Zusammenhang stehen, insbesondere für Lehrgangskosten, Prüfungsgebühren, Lernmittel, Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung.

Leistungen umfassen in bestimmten Fällen auch

  • Kraftfahrzeughilfe nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung,
  • den Ausgleich unvermeidbaren Verdienstausfalls des behinderten Menschen oder einer erforderlichen Begleitperson wegen Fahrten der An- und Abreise zu einer Bildungsmaßnahme und zur Vorstellung bei einem Arbeitgeber, einem Träger oder einer Einrichtung für behinderte Menschen,
  • die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz für schwerbehinderte Menschen als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes,
  • Kosten für Hilfsmittel, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung, zur Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Erhöhung der Sicherheit auf dem Weg vom und zum Arbeitsplatz und am Arbeitsplatz erforderlich sind, es sei denn, dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers besteht oder solche Leistungen als medizinische Leistung erbracht werden können,
  • Kosten technischer Arbeitshilfen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung erforderlich sind und
  • Kosten der Beschaffung, der Ausstattung und der Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung in angemessenem Umfang.

Anspruch auf Leistungsgerechten Arbeitsplatz, § 164(4) SGB IX

Kein Abschieben ins Abseits - "Frühstücksdirektor"

Die schwerbehinderten Menschen haben gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf

  1. Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können,
  2. bevorzugte Berücksichtigung bei innerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Förderung ihres beruflichen Fortkommens,
  3. Erleichterungen im zumutbaren Umfang zur Teilnahme an außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung,
  4. behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfelds, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit, unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr,
  5. Ausstattung ihres Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen.

Kündigungsschutz für Schwerbehinderte

  1. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber bedarf der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Das Integrationsamt prüft nur, ob die Kündigung wegen der Behinderung (dann Kündigung nicht möglich) oder wegen eines anerkannten arbeitsrechtlichen Kündigungsgrundes -verhaltensbedingt oder betriebsbedingt- (dann Kündigung erlaubt) erklärt werden soll.
  2. Die Kündigungsfrist beträgt mindestens vier Wochen.
  3. Die Zustimmung zur Kündigung beantragt der Arbeitgeber bei Integrationsamt schriftlich.
  4. Das Integrationsamt holt eine Stellungnahme des Betriebsrates oder Personalrates und der Schwerbehindertenvertretung ein und hört den schwerbehinderten Menschen an.
  5. Das Integrationsamt wirkt in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hin.
  6. Das Integrationsamt soll die Entscheidung, falls erforderlich auf Grund mündlicher Verhandlung, innerhalb eines Monats vom Tage des Eingangs des Antrages an treffen.
  7. Die Entscheidung wird dem Arbeitgeber und dem schwerbehinderten Menschen zugestellt.
  8. Erteilt das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung, kann der Arbeitgeber die Kündigung nur innerhalb eines Monats nach Zustellung erklären.
  9. Wird eine Entscheidung nicht in der gesetzlichen Frist (je nachdem 1 oder 3 Monate) getroffen, gilt die Zustimmung als erteilt.

Zusatzurlaub

Schwerbehinderte Menschen haben Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr; verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit des schwerbehinderten Menschen auf mehr oder weniger als fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche, erhöht oder vermindert sich der Zusatzurlaub entsprechend. Tarifliche, betriebliche oder sonstige Urlaubsregelungen können für schwerbehinderte Menschen nur einen längeren Zusatzurlaub vorsehen.

Haushaltshilfe und Kinderbetreuung

Haushaltshilfe wird geleistet, wenn

  1. den Leistungsempfängern wegen der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist,
  2. eine andere im Haushalt lebende Person den Haushalt nicht weiterführen kann und
  3. im Haushalt ein Kind lebt, das bei Beginn der Haushaltshilfe das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder das behindert und auf Hilfe angewiesen ist.

Unterbringung von Kindern und Kinderbetreuung

Anstelle der Haushaltshilfe werden auf Antrag die Kosten für die Mitnahme oder anderweitige Unterbringung des Kindes bis zur Höhe der Kosten der sonst zu erbringenden Haushaltshilfe übernommen, wenn die Unterbringung und Betreuung des Kindes in dieser Weise sichergestellt ist.

Kostenübernahme für Kinderbetreuung

Kosten für die Betreuung der Kinder des Leistungsempfängers können bis zu einem Betrag von 130 Euro je Kind und Monat übernommen werden, wenn sie durch die Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben unvermeidbar entstehen.

BSG, Urteil vom 19.05.2022 - B 8 SO 13/20 R


Be­hin­der­te Men­schen kön­nen auch Ein­glie­de­rungs­hil­fe­leis­tun­gen für sol­che Kos­ten er­hal­ten, die ent­ste­hen, weil sie bei einer Ur­laubs­rei­se auf eine Be­gleit­per­son an­ge­wie­sen sind. Der Wunsch eines be­hin­der­ten Men­schen, ein­mal im Jahr für eine Woche in den Ur­laub zu fah­ren, sei im Grund­satz als an­ge­mes­sen an­zu­se­hen.


Der auf einen Rollstuhl angewiesene Kläger beschäftigt zu seiner Pflege rund um die Uhr drei Pflegehelfer. Er unternahm im Juli 2016 eine 7-tägige Schiffsreise auf der Nordsee mit zwei Landausflügen. Einen seiner Assistenten nahm er zur Sicherstellung seiner Pflege auf die Reise mit. Seine eigenen Reisekosten trug der Kläger selbst.


Das BSG urteilte, dass Urlaubsreisen als Form der Freizeitgestaltung ein legitimes soziales Teilhabebedürfnis darstellen. Kosten für den eigenen Urlaub seien aber grundsätzlich nicht als Leistung der Eingliederungshilfe zu übernehmen.


Anders liege es bei behinderungsbedingten Mehrkosten wie den Reisekosten einer notwendigen Begleitperson. Denn mit diesen Kosten sei der behinderte Mensch allein aufgrund seiner Behinderung konfrontiert. Sie seien als Teilhabeleistung zu übernehmen, wenn sie vor dem Hintergrund der angemessenen Wünsche des behinderten Menschen notwendig sind. Der Wunsch eines behinderten Menschen, sich jährlich einmal auf eine einwöchige Urlaubsreise zu begeben, sei im Grundsatz als angemessen anzusehen. Unter gleichartigen Reisen müssen aber wenn möglich Reisen angetreten werden, die geringere oder keine behinderungsbedingten Mehrkosten auslösen.

Nachteilsausgleich in anderen Gesetzen